Montag, 19. Oktober 2009

Vor nächster Krise

Der Mikrokredit-Banker Mohammed Yunus hat den Mangel grundlegender Reformen im Bankensektor infolge der Finanzkrise angeprangert.

«Mängel wurden nicht beseitigt». Die Welt habe eine goldene Gelegenheit verpasst, den Ärmsten der Armen durch einen Umbau des Finanzsystems nach der Krise zu helfen, kritisierte Mohammed Yunus, der «Vater der Mikrokredite» im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. Yunus (siehe Bild) wird demnächst wieder in Europa auftreten, unter anderem am Vision Summit in Berlin von anfangs November). Dort werden die Möglichkeiten des Social Business erörtert.

«Die nächste Krise wird nicht auf sich warten lassen, weil bestehende Mängel nicht beseitigt wurden», warnte der 69-Jährige. Yunus, der mit seiner Grameen-Bank 2006 den Nobelpreis erhielt, ist ein entschiedener Kritiker des derzeitigen Finanz- und Bankenwesens, das seiner Ansicht nach Menschen willentlich ausschliesst. Er plädiert für ein gerechteres, integrativeres weltweites Bankwesen - ein System, das auch den Armen Kredite bewilligt, obwohl diese keine grossen Sicherheiten anzubieten haben. Dazu sei ein System-Umbau nötig, sagte Yunus. «Jeder Mensch auf der Welt hätte dann einen unkomplizierten Zugang zu diesem System.» Seine Grameen- Bank habe bewiesen, dass dies möglich sei.

Yunus hatte im Jahr 1976 mit einem Mini-Kredit von 27 Dollar an eine Gruppe von Dorfbewohnerinnen aus Bangladesch die Grameen-Bank begründet, die inzwischen ein milliardenschweres Mikrokreditsystem aufgebaut hat. Der Bank-Experte fordert, dass, abgesehen von einem gerechteren Bankwesen, sichergestellt werden müsse, dass Steuerzahler nie wieder für die Fehler der Banken geradestehen müssen.

In der Geschäftswelt müsse es künftig stärker um soziale Belange gehen als bisher, verlangte Yunus. Die blinde Jagd nach mehr Profit dürfe nicht mehr im Zentrum stehen. Yunus verteidigte zugleich seine Mikrofinanz-Prinzipien, die einige Kritiker wegen der hohen Zinsen unter Beschuss genommen hatten. Ihrer Ansicht nach können die Kreditnehmer dadurch in eine regelrechte Verschuldungsspirale geraten. Yunus betonte, der Begriff Mikrokredit sei zu einem Modewort geworden, nicht immer sei mit etwas, das sogenannt würde, auch tatsächlich ein echter Mikrokredit gemeint.


© Oekonomedia / Quelle: SDA

Dienstag, 13. Oktober 2009

Ökonomin ist die Beste!

Elinor Ostrom ist die erste Frau, die den Nobelpreis für Wirtschaft erhält. Aus gutem Grund: Die US-Forscherin ist der Frage nachgegangen, wie sich knappe Ressourcen am besten verteilen lassen - eines der drängendsten Probleme unserer Zeit.

Leidenschaftlich, humorvoll, unkompliziert - so haben die Teilnehmer der "Summer School" die Wissenschaftlerin von einem ihrer Auftritte in Deutschland noch heute in Erinnerung. Die temperamentvolle und herzliche Mittsiebzigerin, von deren Expertise alle beeindruckt waren, durfte jeder ganz selbstverständlich "Lin" nennen. "Damals dachte ich: 'Wenn endlich mal eine Frau den Nobelpreis gewinnt, dann wird das Ostrom sein'", sagt der Ökonom Michael Wohlgemuth, der am Freiburger Walter-Eucken-Institut forscht. Er sollte recht behalten: Es hat lange gedauert, aber bei der 41. Vergabe des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften kam erstmals eine Frau zum Zuge. Zusammen mit dem ebenfalls aus den USA stammenden Ökonomen und Rechtswissenschaftler Oliver Williamson wurde er Ostrom am Montag zugesprochen.

Ostrom repräsentiert so etwas wie die "Neue Mitte" der Wirtschaftswissenschaften. Sie lässt sich weder der klassisch-verbalen Ausrichtung zuordnen, die stets die praktische Relevanz der Forschung für die Politik im Blick hat, noch allein auf die mathematisch-präzise Ökonomie reduzieren, die das Geschehen der Welt vornehmlich in sperrige Formeln presst. Dass Ostrom ideologisch nicht festgefahren ist, also mehr die Grautöne ihrer Disziplin vertritt als ein Schwarzweiß-Schema zu repräsentieren, liegt wohl auch daran, dass sie ausgebildete Politikwissenschaftlerin ist. 1965 machte Ostrom ihren Doktor an der University of California in Los Angeles und wechselte danach zur Indiana University in Bloomington. Ein Ort, an dem sie sich zur Grenzgängerin zwischen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften entwickelte - und an dem sie noch immer aktiv ist.

"Lin ist eine echte Wissenschaftlerin, die vor allem die Frage umtreibt, warum etwas so ist, wie es ist", sagt Claudia Keser, Ökonomin an der Universität Göttingen, die Ostrom aus der Forschung kennt. Angesichts dieser unprätentiösen Grundhaltung passt es, dass Ostrom fast nie die Öffentlichkeit sucht - und schon gar nicht zwanghaft versucht, Gehör zu finden. Und das ausgesprochen erfolgreich: Trotz ihres Wirkens im Hintergrund hat sie sich über die Jahrzehnte zu einer der renommiertesten Umweltökonomen entwickelt. Vor allem, weil sie der Frage nachgegangen ist, wie gemeinschaftliches Eigentum von Nutzern erfolgreich verwaltet werden kann. Was nach einer eher bürokratischen Problematik klingt, ist eine der spannendsten Herausforderungen der Gegenwart. Denn dahinter steckt nicht weniger als die Frage, wie knappe Ressourcen am besten genutzt werden.

In der Wissenschaft sind die Güter, bei denen eine Rivalität zwischen den Nutzern besteht, aber niemand von der Nutzung wirklich ausgeschlossen werden kann, als Allmende-Güter bekannt. Das Problem daran lässt sich am Phänomen der Überfischung leicht skizzieren: Zwar ist jedem Fischer, der halbwegs bei Sinnen ist, bewusst, dass er durch Überfischung seinen Job riskiert. Trotzdem handelt er rational, wenn er mit möglichst vielen Booten aufs Meer fährt. Denn was er nicht im Netz hat, holt sich die Konkurrenz. Mit anderen Worten: Es ist für jeden Einzelnen rational, wenn er aus Sicht der Gemeinschaft irrational handelt. Zumindest dann, wenn es kein klares Regelwerk gibt. Das gilt nicht nur bei der Fischerei, auf Kuhweiden in den Bergen und beim Wasserverbrauch. Auch bei der Suche nach wirksamen Mechanismen gegen den Klimawandel ist das Phänomen zu beobachten.

Ostrom ist deshalb der Frage nachgegangen, welcher Regeln es bedarf, damit es nicht zur Übernutzung von Ressourcen und somit auch zur Selbstschädigung aller kommt. Dazu hat sie sich jedoch nicht in ihrem wissenschaftlichen Elfenbeinturm verkrochen, sondern unter anderem Almbauern und Fischer in aller Welt besucht, die zum Teil seit einer gefühlten Ewigkeit funktionierende Vereinbarungen zur Lösung des Allmende-Dilemmas getroffen haben.

Die Prinzipien, die Ostrom herausgearbeitet hat - unter anderen müssen alle Betroffenen bei der Festlegung der Regeln mitwirken, die Vereinbarungen müssen klar sein, ihre Einhaltung muss überwacht und Fehlverhalten sanktioniert werden - ist damit das Ergebnis umfangreicher Feldforschung. Diese hat sie später noch durch experimentelle Forschung ergänzt - dabei wurde sie vor allem von Reinhard Selten inspiriert, der 1994 für seine Erkenntnisse in der Spieltheorie als bislang letzter Deutscher mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Ein Beispiel, wie sich das Dilemma der Überfischung lösen lässt, gibt es in der Türkei: In der Türkei haben Fischer eine Art Kooperative gegründet, in der jeder einen bestimmten Meeresabschnitt zugeteilt bekommt. Weil die Bereiche unterschiedlich attraktiv sind, rotieren die jeweiligen Seegebiete zwischen den Betroffenen. So bekommt jeder eine faire Chance - und gleichzeitig werden alle Fischer von ihren Konkurrenten überwacht.

Wie das Beispiel zeigt, ist Ostrom in ihrer praxisorientierten Forschung auch zu der Erkenntnis gekommen, dass die Menschen vor Ort oft die besten Lösungen für ihre Probleme finden. Damit hat die Wissenschaftlerin nachgewiesen, dass weder der Staat noch der Markt - wie es viele ihrer Kollegen behaupten - in der Regel zu den besten Ergebnissen führt. Ostrom versteift sich nicht in der Feststellung, dass die Betroffenen immer die beste Lösung für ihr Problem sind. Da ist sie in ihrer Ideologiefreiheit konsequent. Sie geht vielmehr vorurteilsfrei der Frage nach, wann welche Lösung wirklich die beste ist.

Quelle: Spiegel Online

Montag, 7. September 2009

Medien kaputt gespart

Gedruckte Medien sind vom Aussterben bedroht! Oder doch nicht, wie hoffnungsvolle Beispiele zeigen? Auf jeden Fall gilt: Ohne Geld und Erfolg am Markt läuft gar nichts.

Die Ergebnisse des neuesten Medien-Trendmonitors lassen gemäss der unabhängigen Agentur «pressetext» aufhorchen. Demnach wurden für die Studie rund 2.100 Journalisten aus Deutschland zu aktuellen Entwicklungen in der Medienbranche befragt. War in den Umfragen der letzten Jahre vor allem der Trend ins Internet ein Hauptthema, beschäftigt sich der Trendmonitor dieses Jahr insbesondere mit den Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die schreibende Zunft. 75 Prozent der befragten Journalisten aus den verschiedensten Bereichen gaben an, dass sich durch die Wirtschaftskrise ihr Arbeitsdruck erhöht habe. Dies hat auch Auswirkungen auf die Qualität der Berichterstattung. 44 Prozent der Befragten erklärten, dass sie durch die Krise weniger Zeit für eigene Recherche hätten und dadurch vermehrt auf PR- und Pressetexte zurückgreifen müssen. "Man kann sagen, dass Redaktionen kaputt gespart werden. Das war auch vor der Krise schon so, mit dem Hintergrund schrumpfender Werbeeinnahmen verstärkt sich dieser Effekt jetzt aber. Manche Redaktionen können den Betrieb nur mehr mit Mühe aufrecht erhalten", sagt Hendrik Zörner, Sprecher des deutschen Journalistenverbands, im pressetext-Gespräch.

Neben den Auswirkungen der Wirtschaftskrise wurden die Teilnehmer der Umfrage auch zum Thema Online-Erlöspotenzial befragt. Fast die Hälfte der Befragten gab diesbezüglich an, dass sie nicht damit rechnen, dass sich die Internetangebote der Verlage in absehbarer Zeit selbst finanzieren können. Ein Drittel hält es immerhin für "eventuell möglich." Dabei muss allerdings zwischen Journalisten verschiedener Sparten unterschieden werden. Während unter Online-Journalisten fast jeder fünfte an die finanzielle Unabhängigkeit der Web-Angebote glaubt, sind dies etwa bei Nachrichtenagenturen nur mehr vier Prozent. "Online-Medien bräuchten eine andere wirtschaftliche Grundlage. Derzeit sind sie großteils werbefinanziert, dies ist jedoch nur bei ganz wenigen Medien, etwa dem Spiegel, kostendeckend", so der Fachmann. Zusätzlich steige auch die Zahl der Online-Medien relativ rasch, während das Volumen des Werbemarkts nur langsam wächst. "Der Kuchen wächst zwar langsam, die Zahl derer, die daran mitnaschen möchten, wächst jedoch viel schneller", sagt Zörner. Die Zukunftsträchtigkeit der Werbefinanzierung sei jedenfalls zu bezweifeln.

Wegweisend in diesem Zusammenhang ein Beitrag, den das «Magazin» in seiner letzten Ausgabe vom 5.September veröffentlichte. Darin werden drei europäische Tageszeitungen porträtiert, die gegen den Trend erfolgreich sind. Im Fall der portugiesischen Zeitung Informaçao (siehe Titelbild einer Grossreportage in der Rubrik Zoom) handelt es sich sogar um eine Neugründung, bei der holländischen ncr.news um eine Abspaltung eines renommierten Titels und beim Svenska Dagblatt aus Schweden um die einzige Neuausrichtung eines Traditionsblattes. Ihnen allen ist eine stärkere Orientierung an der Leserschaft eigen – allerdings an jenen, die effektiv lesen wollen. Und davon gäbe es auch in Zukunft genug, so die drei ChefredaktorInnen gemeinsam, selbst unter der jüngeren Bevölkerungsschicht. Allerdings muss das Angebot ausführlichen Hintergrund servieren und nicht einfach das, was man schon aus den elektronischen Medien an News kennt. Und auch nicht Sex, Prominenz und Skandal sind die Wegmarken, sondern das Überraschende, klar Positionierte – finden sich doch unter den Erfolgsmodellen sowohl eher linksliberal als auch konservativ ausgerichtete Medien. Da bleibt von Interesse, wie sich denn die anstehende Umgestaltung von Schweizer Medien (TA und NZZ vollziehen diese noch in diesem Herbst) präsentieren wird. Auf jeden Fall scheint richtig, dass gedruckte Zeitungen ebenso wie gedruckte Bücher durchaus eine Zukunft haben werden – die Inhalte werden entscheidend sein.

Denkbar ist auch der amerikanische Weg, den unlängst der Tages-Anzeiger beschrieb (TA vom 3.September: «400'000 Dollar für eine Enthüllungsstory»). Irgendwie gesponserte Beiträge verleihen in den USA dem seriösen investigativen Journalismus neue Blüte. Eingedenk der Erkenntnis, dass gut recherchierte Geschichten viel Aufwand bedürfen und entsprechend teuer sind. Dieser Weg mag allerdings auch nur eine amerikanische Lösung darstellen, weil dort Spendengelder relativ locker sitzen. Das schwedische Svenska Dagblatt erhält demgegenüber aus der staatlichen Presseförderung einen jährlichen Beitrag von rund 10 Millionen Franken – wohlgemerkt als liberal konservatives Blatt.

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Dienstag, 1. September 2009

Vom Sinn der Arbeitsteilung

Sie scheint selbstverständlich, wenn auch gelegentlich der Wunsch aufkommt, ein Brot selbst zu backen. Arbeitsteilung bedarf des Marktes und führt zu persönlicher Erfüllung.

Selbst beim Brotbacken käme – mir auf jeden Fall – nicht in den Sinn, das Getreide selbst anzubauen oder zu mahlen. Und der Wunsch nach dem Selbstgemachten kommt bezeichnenderweise nur bei einigen Gütern des eigenen Bedarfs auf, niemals aber in der Fülle all dessen, was wir für unser Alltagsleben benötigen. Nun wäre dem Wunsch nach geringerem Energie- und Ressourcenverbrauch zwar ein Dienst erwiesen, würden wir generell weniger verbrauchen – und zu diesem Zweck die Subsistenz, also die Eigenproduktion aller wichtigen Lebensmittel – zur Maxime erheben. Doch würden wir dadurch entwicklungsmässig derart zurückfallen, dass selbst wahre Fundamentalisten in dieser Frage kaum einen derartigen Schritt propagieren.

Wo wir in unserem Alltag Arbeitsteilung aufzuheben wünschen, ist ebenfalls bezeichnenderweise zumeist in jenen Bereichen, die uns besonders sinnvoll erscheinen oder die zu einem besonders guten Ergebnis führen – wie eben das Brotbacken. Kaum jemand käme auf die Idee, das Selbermachen für Tätigkeiten zu propagieren, die besonders mühsam erscheinen. Unter diesen Umständen auch verständlich, dass das Putzen im Haushalt häufig eine der ersten Arbeiten ist, die arbeitsteilig vielleicht nicht unbedingt an auswärtiges Personal, aber liebend doch an andere Familienmitglieder oder Wohnpartner abgetreten wird.

Arbeitsteilung bedeutet der Tendenz nach aber auch, dass wir uns häufig – Verallgemeinerungen verbieten sich auch hier – in unserer Erwerbsarbeit jener Tätigkeit zuwenden können, für die wir spezielle Fähigkeiten mitbringen, die wir gerne machen (wie beispielsweise das völlig freiwillige Schreiben dieses Artikels), oder auch ganz banal, deren wirtschaftlicher Ertrag uns die Mühe der Arbeit zumindest erträglich macht. Natürlich ist dieser Grad an Selbsterfüllung für Viele auch nicht gegeben. Aber gerade sie werden häufig danach streben, ihre Arbeitsaufgaben derart zu verändern, dass sie darin mehr Erfüllung, weniger Stumpfsinn oder eben schlicht auch zumindest mehr Entgelt finden. Ohne Arbeitsteilung wäre ein solcher Wunsch aber niemals umsetzbar – mit Arbeitsteilung zumindest in vielen Fällen und auf der heutigen Stufe des westlichen Wirtschaftssystems. Gerade der Wunsch nach Weiterbildung und die gewaltige Energie, die darauf verwandt wird, belegt den Sinn der Arbeitsteilung. Denn Weiterbildung erweitert nicht nur den Arbeitskreis, führt aber vor allem zu einer Spezialisierung, die im arbeitsteiligen Prozess eine angemessenere Tätigkeit ermöglicht.

Schliesslich macht Arbeitsteilung nur Sinn, wenn wir unsere Prozesseinordnung sinnvoll vermarkten können. Unsere Wahl einer bestimmten arbeitsteiligen Tätigkeit kann bei bezahlter Erwerbstätigkeit ja immer nur heissen, es besteht eine Nachfrage nach eben dieser. Den Entscheid darob fällt der Markt, eine zentrale Behörde wird das kaum schaffen – sicher nicht in all den Bedürfnissen, die über die reine Grundversorgung hinausgehen. Während Grundversorgung auch beinhaltet, dass sie neben dem Funktionieren allen zugänglich sein soll, ist bei allen weiteren Bedürfnissen undenkbar, die Arbeitsteilung zentral zu lenken. Wasserversorgung soll also zentral geregelt sein, Gesundheit und Bildung in ihren Grundzügen ebenso. Aber in den übrigen Bedarfsgruppen wird es wohl auf Zusehen hin zumindest – das heisst, bis wir uns von solchem Bedarf aufgrund einer transzendentalen Bewusstseinserweiterung wieder verabschieden - nur über den Markt möglich sein, den Bedarf auch abzudecken.

Mit anderen Worten: Arbeitsteilung ermöglicht die Versorgung eines breiten Bedarfs, das Abdecken vieler einzelner Bedürfnisse. Und den Erbringern der Arbeitsleistung macht diese umso mehr Spass, als sie sich flexibel auf diese einstellen und ihre Fähigkeiten im Rahmen ihrer Spezialisierung besonders gut zur Geltung bringen können. Wo anders als auf einem Markt aber ist dies möglich. Fremdsteuerung von Produktion und Konsumption hat sich aufgrund der vielen Systemversuche in der ganzen Welt als Sackgasse erwiesen. Noch heute bleibt es mir schleierhaft, warum etwa ein von der Natur gesegnetes Land wie Kuba nicht den gleichen Weg wie das erklärtermassen ebenfalls sozialistische Vietnam geht – und die Produktion im Kleinen, vor allem auch in der landwirtschaftlichen Versorgung – den vielen kleinen ProduzentInnen überlässt. Das Ergebnis lässt sich an den überquellenden Märkten des südostasiatischen Küstenstaats ebenso eindrücklich wie an den leeren Regalen des karibischen Inselreichs ablesen.

Arbeitsteilung und funktionierende Märkte bedingen einander also. Und das ist, wie das skizzierte Beispiel zeigt, nicht einmal so sehr eine Frage des Wirtschaftssystems, zumindest wenn man dieses weiterhin als Gegensätzlichkeit von Kommunismus und Kapitalismus sieht. Auswüchse der unangenehmen Art produziert die hier propagierte Marktlösung zwar auch, im Endergebnis von wirtschaftlicher Grundversorgung ist die Marktlösung aber eindeutig und durch viele Experimente belegt überlegen. Was wir allerdings politisch aus dieser Erkenntnis machen, wie weit wir die Marktlösung treiben, ist eine ganz andere Frage. Nie darf aber vergessen gehen, dass Arbeitsteilung möglicherweise sogar dem Glücksempfinden der Menschen Vorschub leistet, diese eben das tun können, was ihnen liegt, sinnvoll erscheint, Einkommen bringt. Und damit in diesem Fall einer unbedingten Freiheit bedarf.

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Montag, 24. August 2009

Nachhaltigkeitsfonds bestehen

Per Ende Juni waren nach Informationen des Sustainable Business Institute (SBI) insgesamt 301 nachhaltiger Fonds in Deutschland, Österreich und Schweiz zum Publikumsvertrieb zugelassen.

Die 301 zugelassenen Fonds waren zum 30.06.2009 mit ca. 25,5 Mrd. Euro investiert. 13 Fonds mit einem Volumen von ca. 140 Mio. Euro sind im ersten Halbjahr neu aufgelegt worden: sieben Aktien- und zwei Dach, ein Misch-, zwei Rentenfonds und ein ETF. Darüber hinaus sind gegenüber Ende 2008 22 Fonds mit einem Volumen von ca. 2,4 Mrd. Euro hinzugekommen, die entweder bereits in anderen Ländern zugelassen waren oder neu Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen. Fünf Aktien-, zwei Renten- und ein Mischfonds wurden seit Beginn des Jahres geschlossen oder mit anderen Fonds zusammengelegt.

17,57 Mrd. waren in 181 Aktienfonds investiert. Die Performance der Aktienfonds, die bereits Ende 2008 aufgelegt waren, war im ersten Halbjahr sehr unterschiedlich: sie lag zwischen ca. plus 53 % und ca. minus 7%. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Aktienfonds sehr stark unterscheiden: Zu diesen Fonds gehören sowohl breit aufgestellte internationale Fonds wie auch spezialisierte Fonds mit regionalem Fokus sowie Technologie- und Themenfonds.

4,13 Mrd. Euro waren in 42 Rentenfonds investiert. Die Performance der vor 2009 aufgelegten Rentenfonds war sehr unterschiedlich und lag im ersten Halbjahr zwischen ca. plus 20 % und ca. minus 5 %. Weniger 2,96 Mrd. - waren in 50 Mischfonds und 112 Mio. in 17 Dachfonds investiert. Die Performance der Mischfonds, die bereits vor 2009 aufgelegt wurden ist ebenfalls sehr unterschiedlich, sie lag im ersten Halbjahr 2009 zwischen ca. plus 15 % und ca. minus 22 %. Auch die Performance der Dachfonds die vor 2009 aufgelegt waren unterscheidet sich stark, sie lag zwischen ca. plus 14 % und ca. minus 14 %. Beim Vergleich der Misch- und Dachfonds ist zu berücksichtigen, dass der Aktienanteil recht unterschiedlich hoch ist mit entsprechenden Auswirkungen auf Rendite und Risiko.

In den neun nachhaltigen ETFs waren insgesamt ca. 355 Mio. Euro investiert. Die Performance der bereits vor 2009 aufgelegten acht ETFs lag im ersten Halbjahr 2009 zwischen ca. plus 12% und ca. plus 4%. In den beiden MicrofinanceFonds waren Ende Juni 2009 389 Mio. Euro investiert. Die Performance lag zwischen ca. plus 1,9 % und plus 0,9%.

Weitere Informationen zu den Fonds und ihrer aktuellen Performance sowie Indizes und Unternehmen finden Sie auf www.nachhaltiges-investment.org.

Quelle: Dr. Paschen v. Flotow. Sustainable Business Institute (SBI), August 2009

Samstag, 15. August 2009

10 Vorschläge

Magie am Arbeitsmarkt

Beat Kappeler, selbst ernannter Oberökonom der NZZ («Mein Standpunkt»), früher mal Sekretär beim Schweizerischen Gewerkschaftsbung, hat in der ersten Augustausgabe der «NZZ am Sonntag», die langen Schweizer Arbeitszeiten gelobt. Ihnen verdankten wir unsere tiefe Arbeitslosigkeit. Zur Begründung führt er internationale Vergleiche von zweifelhaftem Wert an.

Man kann die Zahlen umkehren, die Kappeler zu den Arbeitsmärkten präsentiert: Wenn Franzosen gerechnet auf die Gesamtbevölkerung nur halb so viel arbeiten wie Schweizer, aber gemäss Statistik pro Kopf der Bevölkerung zwei Drittel soviel verdienen, geht es unseren westlichen Nachbarn besser als den SchweizerInnenn.

Frankreich und Deutschland sind gegenüber kleineren Staaten völlig unterschiedliche Volkswirtschaften. Gerade Deutschland stellt aufgrund der Wiedervereinigung und einer ebenfalls starken Zuwanderung einen Spezialfall dar.

Kappeler versäumt zu begründen, warum in den letzten hundert Jahren eine stete Mehrung des Wohlstands mit der starken Senkung der Arbeitszeit einherging. Die letzten Jahre verdanken den Boom einer Entwicklung, die geradewegs in den Abgrund geführt hat (US-Überschuldung mit anschliessender Finanzkrise). Für die Zukunft bleibt zweifelhaft, ob unsere Volkswirtschaft immer mehr Arbeit schaffen wird.

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