Montag, 7. September 2009

Medien kaputt gespart

Gedruckte Medien sind vom Aussterben bedroht! Oder doch nicht, wie hoffnungsvolle Beispiele zeigen? Auf jeden Fall gilt: Ohne Geld und Erfolg am Markt läuft gar nichts.

Die Ergebnisse des neuesten Medien-Trendmonitors lassen gemäss der unabhängigen Agentur «pressetext» aufhorchen. Demnach wurden für die Studie rund 2.100 Journalisten aus Deutschland zu aktuellen Entwicklungen in der Medienbranche befragt. War in den Umfragen der letzten Jahre vor allem der Trend ins Internet ein Hauptthema, beschäftigt sich der Trendmonitor dieses Jahr insbesondere mit den Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die schreibende Zunft. 75 Prozent der befragten Journalisten aus den verschiedensten Bereichen gaben an, dass sich durch die Wirtschaftskrise ihr Arbeitsdruck erhöht habe. Dies hat auch Auswirkungen auf die Qualität der Berichterstattung. 44 Prozent der Befragten erklärten, dass sie durch die Krise weniger Zeit für eigene Recherche hätten und dadurch vermehrt auf PR- und Pressetexte zurückgreifen müssen. "Man kann sagen, dass Redaktionen kaputt gespart werden. Das war auch vor der Krise schon so, mit dem Hintergrund schrumpfender Werbeeinnahmen verstärkt sich dieser Effekt jetzt aber. Manche Redaktionen können den Betrieb nur mehr mit Mühe aufrecht erhalten", sagt Hendrik Zörner, Sprecher des deutschen Journalistenverbands, im pressetext-Gespräch.

Neben den Auswirkungen der Wirtschaftskrise wurden die Teilnehmer der Umfrage auch zum Thema Online-Erlöspotenzial befragt. Fast die Hälfte der Befragten gab diesbezüglich an, dass sie nicht damit rechnen, dass sich die Internetangebote der Verlage in absehbarer Zeit selbst finanzieren können. Ein Drittel hält es immerhin für "eventuell möglich." Dabei muss allerdings zwischen Journalisten verschiedener Sparten unterschieden werden. Während unter Online-Journalisten fast jeder fünfte an die finanzielle Unabhängigkeit der Web-Angebote glaubt, sind dies etwa bei Nachrichtenagenturen nur mehr vier Prozent. "Online-Medien bräuchten eine andere wirtschaftliche Grundlage. Derzeit sind sie großteils werbefinanziert, dies ist jedoch nur bei ganz wenigen Medien, etwa dem Spiegel, kostendeckend", so der Fachmann. Zusätzlich steige auch die Zahl der Online-Medien relativ rasch, während das Volumen des Werbemarkts nur langsam wächst. "Der Kuchen wächst zwar langsam, die Zahl derer, die daran mitnaschen möchten, wächst jedoch viel schneller", sagt Zörner. Die Zukunftsträchtigkeit der Werbefinanzierung sei jedenfalls zu bezweifeln.

Wegweisend in diesem Zusammenhang ein Beitrag, den das «Magazin» in seiner letzten Ausgabe vom 5.September veröffentlichte. Darin werden drei europäische Tageszeitungen porträtiert, die gegen den Trend erfolgreich sind. Im Fall der portugiesischen Zeitung Informaçao (siehe Titelbild einer Grossreportage in der Rubrik Zoom) handelt es sich sogar um eine Neugründung, bei der holländischen ncr.news um eine Abspaltung eines renommierten Titels und beim Svenska Dagblatt aus Schweden um die einzige Neuausrichtung eines Traditionsblattes. Ihnen allen ist eine stärkere Orientierung an der Leserschaft eigen – allerdings an jenen, die effektiv lesen wollen. Und davon gäbe es auch in Zukunft genug, so die drei ChefredaktorInnen gemeinsam, selbst unter der jüngeren Bevölkerungsschicht. Allerdings muss das Angebot ausführlichen Hintergrund servieren und nicht einfach das, was man schon aus den elektronischen Medien an News kennt. Und auch nicht Sex, Prominenz und Skandal sind die Wegmarken, sondern das Überraschende, klar Positionierte – finden sich doch unter den Erfolgsmodellen sowohl eher linksliberal als auch konservativ ausgerichtete Medien. Da bleibt von Interesse, wie sich denn die anstehende Umgestaltung von Schweizer Medien (TA und NZZ vollziehen diese noch in diesem Herbst) präsentieren wird. Auf jeden Fall scheint richtig, dass gedruckte Zeitungen ebenso wie gedruckte Bücher durchaus eine Zukunft haben werden – die Inhalte werden entscheidend sein.

Denkbar ist auch der amerikanische Weg, den unlängst der Tages-Anzeiger beschrieb (TA vom 3.September: «400'000 Dollar für eine Enthüllungsstory»). Irgendwie gesponserte Beiträge verleihen in den USA dem seriösen investigativen Journalismus neue Blüte. Eingedenk der Erkenntnis, dass gut recherchierte Geschichten viel Aufwand bedürfen und entsprechend teuer sind. Dieser Weg mag allerdings auch nur eine amerikanische Lösung darstellen, weil dort Spendengelder relativ locker sitzen. Das schwedische Svenska Dagblatt erhält demgegenüber aus der staatlichen Presseförderung einen jährlichen Beitrag von rund 10 Millionen Franken – wohlgemerkt als liberal konservatives Blatt.

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Dienstag, 1. September 2009

Vom Sinn der Arbeitsteilung

Sie scheint selbstverständlich, wenn auch gelegentlich der Wunsch aufkommt, ein Brot selbst zu backen. Arbeitsteilung bedarf des Marktes und führt zu persönlicher Erfüllung.

Selbst beim Brotbacken käme – mir auf jeden Fall – nicht in den Sinn, das Getreide selbst anzubauen oder zu mahlen. Und der Wunsch nach dem Selbstgemachten kommt bezeichnenderweise nur bei einigen Gütern des eigenen Bedarfs auf, niemals aber in der Fülle all dessen, was wir für unser Alltagsleben benötigen. Nun wäre dem Wunsch nach geringerem Energie- und Ressourcenverbrauch zwar ein Dienst erwiesen, würden wir generell weniger verbrauchen – und zu diesem Zweck die Subsistenz, also die Eigenproduktion aller wichtigen Lebensmittel – zur Maxime erheben. Doch würden wir dadurch entwicklungsmässig derart zurückfallen, dass selbst wahre Fundamentalisten in dieser Frage kaum einen derartigen Schritt propagieren.

Wo wir in unserem Alltag Arbeitsteilung aufzuheben wünschen, ist ebenfalls bezeichnenderweise zumeist in jenen Bereichen, die uns besonders sinnvoll erscheinen oder die zu einem besonders guten Ergebnis führen – wie eben das Brotbacken. Kaum jemand käme auf die Idee, das Selbermachen für Tätigkeiten zu propagieren, die besonders mühsam erscheinen. Unter diesen Umständen auch verständlich, dass das Putzen im Haushalt häufig eine der ersten Arbeiten ist, die arbeitsteilig vielleicht nicht unbedingt an auswärtiges Personal, aber liebend doch an andere Familienmitglieder oder Wohnpartner abgetreten wird.

Arbeitsteilung bedeutet der Tendenz nach aber auch, dass wir uns häufig – Verallgemeinerungen verbieten sich auch hier – in unserer Erwerbsarbeit jener Tätigkeit zuwenden können, für die wir spezielle Fähigkeiten mitbringen, die wir gerne machen (wie beispielsweise das völlig freiwillige Schreiben dieses Artikels), oder auch ganz banal, deren wirtschaftlicher Ertrag uns die Mühe der Arbeit zumindest erträglich macht. Natürlich ist dieser Grad an Selbsterfüllung für Viele auch nicht gegeben. Aber gerade sie werden häufig danach streben, ihre Arbeitsaufgaben derart zu verändern, dass sie darin mehr Erfüllung, weniger Stumpfsinn oder eben schlicht auch zumindest mehr Entgelt finden. Ohne Arbeitsteilung wäre ein solcher Wunsch aber niemals umsetzbar – mit Arbeitsteilung zumindest in vielen Fällen und auf der heutigen Stufe des westlichen Wirtschaftssystems. Gerade der Wunsch nach Weiterbildung und die gewaltige Energie, die darauf verwandt wird, belegt den Sinn der Arbeitsteilung. Denn Weiterbildung erweitert nicht nur den Arbeitskreis, führt aber vor allem zu einer Spezialisierung, die im arbeitsteiligen Prozess eine angemessenere Tätigkeit ermöglicht.

Schliesslich macht Arbeitsteilung nur Sinn, wenn wir unsere Prozesseinordnung sinnvoll vermarkten können. Unsere Wahl einer bestimmten arbeitsteiligen Tätigkeit kann bei bezahlter Erwerbstätigkeit ja immer nur heissen, es besteht eine Nachfrage nach eben dieser. Den Entscheid darob fällt der Markt, eine zentrale Behörde wird das kaum schaffen – sicher nicht in all den Bedürfnissen, die über die reine Grundversorgung hinausgehen. Während Grundversorgung auch beinhaltet, dass sie neben dem Funktionieren allen zugänglich sein soll, ist bei allen weiteren Bedürfnissen undenkbar, die Arbeitsteilung zentral zu lenken. Wasserversorgung soll also zentral geregelt sein, Gesundheit und Bildung in ihren Grundzügen ebenso. Aber in den übrigen Bedarfsgruppen wird es wohl auf Zusehen hin zumindest – das heisst, bis wir uns von solchem Bedarf aufgrund einer transzendentalen Bewusstseinserweiterung wieder verabschieden - nur über den Markt möglich sein, den Bedarf auch abzudecken.

Mit anderen Worten: Arbeitsteilung ermöglicht die Versorgung eines breiten Bedarfs, das Abdecken vieler einzelner Bedürfnisse. Und den Erbringern der Arbeitsleistung macht diese umso mehr Spass, als sie sich flexibel auf diese einstellen und ihre Fähigkeiten im Rahmen ihrer Spezialisierung besonders gut zur Geltung bringen können. Wo anders als auf einem Markt aber ist dies möglich. Fremdsteuerung von Produktion und Konsumption hat sich aufgrund der vielen Systemversuche in der ganzen Welt als Sackgasse erwiesen. Noch heute bleibt es mir schleierhaft, warum etwa ein von der Natur gesegnetes Land wie Kuba nicht den gleichen Weg wie das erklärtermassen ebenfalls sozialistische Vietnam geht – und die Produktion im Kleinen, vor allem auch in der landwirtschaftlichen Versorgung – den vielen kleinen ProduzentInnen überlässt. Das Ergebnis lässt sich an den überquellenden Märkten des südostasiatischen Küstenstaats ebenso eindrücklich wie an den leeren Regalen des karibischen Inselreichs ablesen.

Arbeitsteilung und funktionierende Märkte bedingen einander also. Und das ist, wie das skizzierte Beispiel zeigt, nicht einmal so sehr eine Frage des Wirtschaftssystems, zumindest wenn man dieses weiterhin als Gegensätzlichkeit von Kommunismus und Kapitalismus sieht. Auswüchse der unangenehmen Art produziert die hier propagierte Marktlösung zwar auch, im Endergebnis von wirtschaftlicher Grundversorgung ist die Marktlösung aber eindeutig und durch viele Experimente belegt überlegen. Was wir allerdings politisch aus dieser Erkenntnis machen, wie weit wir die Marktlösung treiben, ist eine ganz andere Frage. Nie darf aber vergessen gehen, dass Arbeitsteilung möglicherweise sogar dem Glücksempfinden der Menschen Vorschub leistet, diese eben das tun können, was ihnen liegt, sinnvoll erscheint, Einkommen bringt. Und damit in diesem Fall einer unbedingten Freiheit bedarf.

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