Montag, 13. Juni 2011

So spart sich Europa kaputt

Der Euro-Raum ist wirtschaftlich angeschlagen und finanziell kaputt. Schuld daran ist nicht zuletzt der finnische EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn. Er mag zwar viel von Finanzen verstehen, aber die Grundlagen der Wirtschaft hat er vergessen oder nie beherrscht. Cash-Kolumnist Werner Vontobel hilft nach.

Wirtschaft ist Kreislauf. Was produziert wird, muss auch konsumiert werden. Der harte Wettbewerb sorgt dafür, dass immer mehr und effizienter produziert wird. Doch Hochleistungsproduktion erfordert auch Hochleistungskonsum. Doch daran hapert es. Holen wir ein wenig aus.

Konsum unterteilt sich in Privatkonsum und Staatskonsum. Beides wird überwiegend mit Löhnen, Lohnprozenten und Steuern finanziert. Nun gibt es aber aus nationaler Sicht auch noch den Auslandkonsum, Export genannt. Und genau hier beginnt das Problem, die Standort- und Steuerwettbewerbspolitik. Sie zielt darauf ab, den Standort durch eine Reduktion der Lohn- und Steuerkosten billig zu machen und so den Auslandkonsum zu fördern. Als Folge davon stagniert der Inlandkonsum.

In Deutschland etwa steigt der Konsum pro Kopf seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Wachstum ist nur noch durch stetig steigende Exportüberschüsse möglich. Deutschland sammelt also laufend Guthaben gegenüber seinen Handelspartnern USA, Frankreich, Italien, Portugal, Griechenland usw. an. Das fängt an mit einem Debitorenkredit an den griechischen Geschäftspartner, der sich über seine Bank refinanziert, die ihrerseits Obligationen ausgibt, die dann der deutsche Exporteur bei einer deutschen Bank in Euro umwandelt.

So ging das bis etwa 2008 immer wieder. Dann mündete diese Kreditschöpfung in eine Finanzkrise. Sie zwang alle Schuldnerländer, Sparprogramme aufzulegen und ihren Konsum noch mehr zu drosseln. Die Politiker drosseln dort, wo sie können, beim Staatskonsum und bei den staatlichen Löhnen.

Doch damit die Wirtschaft nicht ganz zusammenbricht, müssen die Regierungen jetzt aber mehr Sozialleistungen bezahlen. Die Schuldenwirtschaft lief also - nur leicht gebremst - auch nach 2008 weiter. Mit dem Unterschied, dass die Kredite jetzt nicht mehr privat - etwa über Subprime-Hypotheken - finanziert wurden, sondern mit Staatsobligationen.

Doch jetzt jetzt haben die Märkte auch von den Staatsschulden genug. Die Finanzkrise ist in ihre nächste, terminale Phase getreten: Die Devisen, die Griechenland, Irland, Portugal und Spanien brauchen, um ihr jährliches Leistungsbilanzdefizit von rund 100 Milliarden Euro zu finanzieren, kommen neuerdings - über ein paar kurze Umwege - direkt von der Europäischen Zentralbank. Sie druckt die nötigen Euros und erhält dafür eine Forderung, das sogenannte Target-2-Guthaben, das 2007 noch null betrug, Ende 2010 bei 340 Milliarden Euro (wovon 325 zugunsten von Deutschland) lag und jetzt die 400 Milliarden-Marke streifen dürfte.

Damit ist buchhalterisch klar erwiesen, dass Europas Finanzproblem nur gelöst werden kann, wenn Deutschland mit Exportdefiziten seine Target-2-Position nach und nach wieder abbaut und glattstellt. Doch EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn hat immer noch nichts begriffen. Das zeigen seine jüngsten wirtschaftspolitischen Empfehlungen an die Mitgliederländer: Danach sollen erstens die Schuldnerländer den Privat- und Staatskonsum weiter senken. Das könnte ja noch hinhauen, wenn Griechen, Spanier und Portugiesen voll damit beschäftigt wären, Exportgüter für Deutschland herzustellen.

Aber nein, von dort wird - wenn es nach Olli Rehn geht - künftig noch mehr zurückexportiert. Der EU-General will nämlich noch mehr deutsche Frauen an die Exportfront schicken. Deutschland soll, so die wichtigste Empfehlung der EU-Kommission, die Erwerbsbeteiligung der Frauen erhöhen. Von mehr Binnenkonsum ist nicht die Rede.

So geht die EU an volkswirtschaftlichem Unverstand zugrunde. Rehn wird die Folgen seiner Dummheit überleben: Er hat ein fixes Honorar und eine fette Pension.

Quelle: Werner Vontobel / Cash

^^^^