Freitag, 13. Juli 2012

Umwelt-Kondratieff-Zyklus eingeleitet

Der Klimawandel sowie die Krisen rund um die Energieversorgung deuten auf eine Welt im Umbruch hin: Wie eine aktuelle Studie von Allianz Global Investors zeigt, wird der zunehmende Handlungsdruck die Wirtschaft in nahezu allen Bereichen verändern. Die Welt steht am Beginn des sechsten Kondratieff-Zyklus, der durch einen nachhaltigen "grünen" Wachstumspfad gekennzeichnet sein dürfte.

Die Finanz- und Schuldenkrise wird die globalen Märkte wohl noch auf absehbare Zeit begleiten. Sie könnte aber auch gleichzeitig eine Phase des Umbruchs markieren, wie sie der russische Ökonom Kondratieff charakterisiert hat. Eines Umbruchs, in dem alte Industriezweige durch neue verdrängt werden. "Unter den veränderten Voraussetzungen von Globalisierung, demografischer Entwicklung, Klimawandel, knappen Ressourcen sowie einem stärkeren Umwelt- und Verantwortungsbewusstsein der Konsumenten wird Wachstum künftig vermutlich aus einer neuen Mischung von Ökonomie und Ökologie generiert", kommentiert Martin Bruckner, Vorstand der Allianz Investmentbank AG, die Ergebnisse der aktuellen Allianz Global Investors Studie.

Fünf Kennzeichen leiten eine Trendwende zu einem neuen Kondratieff-Zyklus ein: Das Nutzungspotenzial einer alten Basisinnovation ist erschöpft, es gibt einen hohen Überschuss an Finanzkapital, die Wirtschaft befindet sich in einer starken Rezessionsphase, es kommt zu sozialen und institutionellen Veränderungen und volkswirtschaftliche Engpässe werden durch neue Technologien gelöst. Wie die aktuelle Studie zeigt, scheinen alle Kriterien auf die aktuelle Finanz- und Staatsschuldenkrise zuzutreffen: Der Produktivitätsschub der Informationstechnik, die 1941 mit der Erfindung des Computers "Z3" ihren Ursprung hatte, scheint langsam auszuklingen. Ein noch schnelleres Notebook beispielsweise macht die Arbeitsprozesse nicht mehr sehr viel produktiver.

Auch war die Wirtschaft bis 2007, vor dem Ausbruch der Finanzkrise,
von einem Überschuss an Finanzkapital geprägt. Anleger suchten auf ihrer Renditejagd nach Anlagealternativen, die sie größtenteils in kreditfinanzierten US-Immobilien oder in Finanzderivaten fanden. Hinzu kamen die Liquiditätsspritzen der Zentralbanken und der Staaten. Die Staaten ließen Konjunkturpakete vom Stapel, um die ökonomische Kernschmelze zu verhindern. Folge: Die ohnehin schon defizitären Haushalte rutschten noch weiter in die roten Zahlen.

Im Zuge dieser Entwicklungen kam es in den letzten Jahren zu neuen Formen unternehmens- und länderübergreifender Kooperation in vielen Feldern des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Handelns. Ebenso wird derzeit an einer globalen ordnungspolitischen Finanzarchitektur gearbeitet, die das Fundament für ein nachhaltiges Wirtschafts- und Finanzsystem bilden soll. Gleichzeitig halten immer mehr ökologische und sozialgesellschaftliche Aspekte Einzug in Unternehmens- und Investitionsentscheidungen. Schließlich verdeutlichen die jüngsten Krisen, dass der sicheren Versorgung mit Rohstoffen und Energie eine immer größere Bedeutung beigemessen werden sollte.

Während in den bisherigen Wirtschaftszyklen der letzten 200 Jahre primär der Faktor Arbeit der ökonomische Engpassfaktor war, dürften im 21. Jahrhundert die immer knapper werdenden Rohstoff- und Energieressourcen die Schlüsselfaktoren der Wirtschaft sein. Folglich dürfte nicht mehr ausschließlich die Steigerung der Arbeitsproduktivität, sondern vor allem die Steigerung der Ressourcen- und Energieproduktivität die Kraftquellen des nächsten Zyklus charakterisieren. Gerade der Umstieg auf erneuerbare Energien zeige, dass künftiges Wachstum weniger verbrauchend als vielmehr regenerierend sein wird. "Gerade das Jahr 2011 hat uns vor Augen geführt, dass es anders als früher nicht mehr vorrangig darum geht, möglichst viel in möglichst kurzer Zeit zu produzieren - ohne Rücksicht auf die Belastung der Verschuldungssalden und der Umwelt", so Bruckner. Erste Schritte, Umwelt mit einem Preis auszustatten, seien bereits unternommen worden. So habe sich die Anzahl der Länder mit politischen Zielen zum Ausbau erneuerbarer Energien oder ähnlichen Regelungen zwischen 2005 und 2011 von 55 auf 119 Staaten mehr als verdoppelt. Erstaunlich dabei: Über 50 Prozent hiervon sind Schwellenländer.

Die Basistechnologien, die nach Kondratieffs Diktion für den Start eines neuen Langfristzyklus notwendig sind, sind der Studie zufolge größtenteils bereits vorhanden.
Sie resultieren aus der Kombination des Bereichs der Informationstechnologie mit dem der "grünen" Märkte. Beispiele hierfür seien der Übergang zu erneuerbaren Energien, die Nutzung von Energiespeichern und Smart-Grid-Systeme ("intelligente Stromnetze"). Die "Green Tech"-Märkte insgesamt werden viele klassische Industriezweige wohl deutlich hinter sich lassen, weil die Nachfrage nach erneuerbaren Energien, modernen Umwelttechnologien, nachhaltiger Wasserwirtschaft, Recycling und effizienteren Antriebstechniken steigen sollte.

Schätzungen zeigen, dass die Leitmärkte der Umwelttechnik bereits 2010 ein weltweites Umsatzvolumen von rund 1,7 Billionen US-Dollar auf sich vereinten. Bis ins Jahr 2020 dürften es rund 3,2 Billionen US-Dollar sein, was einem überdurchschnittlichen Wachstum von 6,5 Prozent p.a. entsprechen würde. "Als Investoren mit längerfristiger Perspektive - durchaus im Sinne des Umweltschutzes - sollten wir die Welt mit den Augen Kondratieffs sehen und unseren Blick in die Zukunft richten. Ein neuer Wohlstandszyklus durch symbiotisches Wachstum kann vor der Tür stehen", so Bruckner abschließend.

Quelle: Allianz / oekonews.at

>>> Startseite Oekonomedia