Mittwoch, 20. April 2016

Postkapitalismus - oder was kommt danach?

Der englische Autor Paul Mason propagiert in seinem neuesten Buch eine Wirtschaftsform, in der viele Güter und Dienstleistungen immer billiger oder gar gratis auf einem Nicht-Markt allen zur Verfügung stehen. Nicht zuletzt  gilt dies vielleicht sogar für Formen der Erneuerbaren Energien – bei denen die reinen Erzeugerpreise in den letzten 20 Jahren der vorgezeichneten Entwicklung folgten und immer billiger wurden - eine ausführliche Rezension des Solarmedia-Autors Guntram Rehsche. 

In einem hatte die Neue Zürcher Zeitung recht, als sie unlängst als eine der wenigen im deutschsprachigen Raum auf ein neues Buch von Paul Mason aufmerksam machte (NZZ 20.8.15). Der Kapitalismus ist wahrlich schon mehrfach totgesagt worden. Doch ich würde mal behaupten, kaum je auf eine derart originelle und tatsachenbasierte Art und Weise, wie jetzt neu auch in der deutschsprachigen Ausgabe des Buchs (Paul Mason: Postkapitalismus – Grundrisse einer kommenden Ökonomie) nachzulesen ist. Der ausführlichen Schilderung des bisherigen Werdegangs unseres bisherigen Wirtschaftssysteme lässt der Autor dessen Demontage und den Entwurf einer postkapitalistischen Ordnung folgen. Anders als Marx vorausgesagt, wird das allerdings gemäss Mason schleichend erfolgen – respektive das hat bereits begonnen in Form einer «reformistischen Revolution». 

Mason ist nicht der Erste, der auf diese Entwicklungen aufmerksam macht, die nicht nur die Welt der Ökonomen auf den Kopf stellen, sondern die manchenorts verwirrt zur Kenntnis genommen – und von einigen gar vehement zurückgewiesen werden. Basis des neuen Systems wird die alles durchdringende Informationsgesellschaft bilden, in welcher viele – sicher längst nicht alle – Güter und Dienstleistungen gratis zur Verfügung stehen. Beispiele gefällig, für die das bereits heute gilt:  
  • Lexika aller Art mit Informationen aller Art, angeführt von Wikipedia, das herkömmliche Wissensfundgruben aufgrund seiner Qualität, Aktualität und Breite längst und anerkanntermassen in den Schatten stellt.
  • Es ist aber eben nicht nur Wikipedia, sondern es sind viele andere Verzeichnisse von Wissen, nicht zuletzt etwa Fremdenführer in allen Gegenden der Welt, die von Millionen, wenn nicht Milliarden von Menschen über das Handy selbstverständlich genutzt werden. 
  • Auf einer allgemeineren Ebene steht immer mehr Software für Anwendungen aller Art in Computern und Maschinen aller Art – gratis – zur Verfügung. Und jene Software, für die noch bezahlt wird, ist in den vergangenen Jahren radikal billiger geworden. 
  • Genau das ist die zu beobachtende Entwicklung – nicht alles – aber sehr vieles wird laufend billiger, stets unter dem Einfluss der integrierten Wissensbestandteile, die eben in allererster Linie immer weniger kosten. 
  • Im Bereich der Dienstleistungen haben sich viele Wirtschaftsleistungen ja stets – und in einer Mehrzahl von Frauen erbracht – als sogenannte Care Economy gehalten, beispielsweise in der Pflege kranker Familienmitglieder. 
  • Oder auch neu geschaffene Dienstleistungen wie regelmässige gegenseitige Einladungen zum Essen, Kinder-, Wohnungs- und Hunde-Hüte-Dienste.  Während allenthalben der Kommerzialisierung solcher Leistungen das Wort geredet wird, kann man in diesem Bereich durchaus eine weitere Keimzelle einer künftigen Wirtschaftsform sehen, die in einem Nichtmarkt ohne geldliche Gegenleistung zunehmend die Bedürfnisse von Menschen erfüllt. Dass dies dann nicht mehr einseitig auf dem Buck der einen Hälfte der Bevölkerung geschehen sollte, versteht sich aus Gerechtigkeitsüberlegungen zum Postkapitalismus. 
  • In diesem Zusammenhang haben ja auch gewisse Formen der Shared Economy bereits für Furore gesorgt, wobei in anderen Fällen wie etwa beim Taxidienst Uber das Ganze näher bei der neuerlichen Ausbeutung der Arbeitenden liegt. Wer den Gratischarakter all dieser wirtschaftlichen Leistungen in Abrede stellt, mag in einem Teil der Fälle recht haben – am ehesten ja bei der Externalisierung von Umweltkosten. Die Diskussion um die aufkeimenden Allemende-Lösungen zeigt, dass dem eben längst nicht in allen Fällen so ist.
Mason unterlegt diese Entwicklungen mit Überlegungen zur Werttheorie, die auf der Basis des Arbeitswerts aussagekräftiger ist als die Erklärung der klassischen Ökonomie, die die Preisbildung stets auf der Grenznutzentheorie basiert. Und die die Tendenz zum Preise Null nicht erklären kann. In «Postkapitalismus» heisst es zu den Überlegungen von Karl Marx: «Im Zeitalter des Stahls und der Schrauben, der Hierarchien und der Knappheit war die Vision (einer Überfluss- und Gratisgesellschaft) so radikal, dass er sie schnell in der Schublade verschwinden ließ. In der Welt der Netzwerke, der Kooperation und des digitalen Überflusses ist sie aber aktueller denn je.» Andernorts lässt sich folgende Zusammenfassung finden: «Da Information ihrem Wesen nach grenzenlos verfügbar ist, zerstört sie die Preismechanismen von Märkten, die auf Knappheit beruhen. Außerdem reduziert Informationstechnologie den Bedarf an Arbeit und maximiert gleichzeitig die Möglichkeiten für kollaboratives Arbeiten.» (DerFreitag 1.10.15)
Der Kapitalismus wird sich also in unserer Zeit nicht wie bis anhin dank seiner hohen Anpassungsfähigkeit stets erneuern, sondern er wird in diesem Fall verstärkt und erstmals Tendenzen zur endgültigen Auflösung zeigen. Zweifellos ein Grundgefühl, das viele Zeitgenossinnen seit der tiefgreifenden Finanzkrise ab 2008 ebenso verunsichert wie ahnen lässt, dass da nun wirklich etwas Neues auf uns zukommt.

«In seinem atemberaubenden Buch führt Paul Mason durch Schreibstuben, Gefängniszellen, Flugzeugfabriken und an die Orte, an denen sich der Widerstand (gegen die neoliberale Wirtschaftsordnung des heutigen Kapitalismus) Bahn bricht. Mason verknüpft das Abstrakte mit dem Konkreten, bündelt die Überlegungen von Autoren wie Thomas Piketty, David Graeber, Jeremy Rifkin und Antonio Negri und zeigt, wie wir aus den Trümmern eben dieses Neoliberalismus eine gerechtere und nachhaltigere Gesellschaft errichten können» hält eine Rezension fest. Dem ist anzufügen, was Mason stets wiederholt – die Erneuerbaren Energien werden zentraler Bestandteil dieser neuen Ordnung sein – und in welchen Kostendimensionen sie sich entwickeln, wagt heute noch kaum eine(r) anzudenken. Und vielleicht gilt diese Entwicklung eben viel weiter greifend – ist doch Kapital gemäss der aktuellen Zinssituation praktisch zum Nulltarif erhältlich.
Weiterer (taz-) Artikel siehe: http://www.taz.de/!5292155/

Mittwoch, 27. Januar 2016

Ökonomische Einsichten in aller Kürze 2016

Diese folgenden Einsichten bedürfen noch der Ausformulierung, seien hier als Ideenskizze festgehalten:


19.10.16: Die Schweiz nutzt ihre ureigenen Rohstoffquellen zu wenig - das gilt natürlich für die Erneuerbaren Energien - sei es Sonne, Wind, Wasser oder Biomasse. Es gilt aber auch und insbesondere für Steine aller Art und für Holz - das hat jetzt auch die ETH Zürich eingesehen - siehe: Schweizer Holz wird zu wenig genutzt: Bessere CO2-Bilanz, nachhaltige Ressource - im Vergleich zu anderen Rohstoffen hat Holz viele Vorteile. Die ETH Zürich plädiert für mehr inländisches Holz als Baumaterial und Energiequelle > Handelszeitung 19.10.16.

14.7.16: In der Diskussion um Ungleichheit und höhere Steuern für die Reichsten taucht hierzulande wiederholt das Argument auf, die Reichsten zahlten ja schon 80 Prozent der Bundessteuern - so auch von Prof. Monika Bütler aus St.Gallen. Unerwähnt bleibt dabei, dass das bei den Einkommenssteuern ja nur den Bundesteil und nicht jene der Kantone betrifft und dass vor allem die Ärmeren über die Mehrwertsteuer eben doch einen grossen Obulus zu den Bundeseinnahmen beitragen, muss immerhin so um einen Drittel sein - siehe auch http://www.srf.ch/news/wirtschaft/die-belastung-mit-steuern-und-gebuehren-wird-voellig-unterschaetzt .

10.4.16: Dass der Homo oeconomicus endgültig nicht mehr das Mass aller Dinge und eben auch nicht das Paradigma der Ökonomie sein kann, zeigen die postkapitalistischen Strömungen, die Paul Masson in seinem Buch «Postkapitalismus» nachzeichnet - nun auch auf Deutsch erschienen. Denn all die Leute, die sich der Open Source Bewegung angeschlossen haben (Linux, Wikipedia etc) tun dies ja aus freien Stücken und ohne Entgelt - dabei müssten sie dem Mamon nachjagen und hätten dabei ja beste Chancen. 

29.3.16: Ich war früher tendenziell auch ein starker Befürworter des weltweit freien Handels - unterdessen zeigt sich an den Folgeerscheinungen - zb in sozialer Hinsicht - dass wir viel zu weit gegangen sind. Aktuell betrifft dies die neu verhandelten internationalen Abkommen wie TTIP für den Warenhandel und TISA für den Dienstleistungsaustausch - und natürlich für die weltweite Migrationswelle. Folgerichtig muss künftige Globalisierung oder eben die Fortschreibung des Welthandels:
  • Gleichgewichtig erfolgen
  • Alle vier Faktoren und eben nicht nur deren drei umfassen (Warenhandel, Austausch von Dienstleistungen, Kapitalströme, freier Personenverkehr)
  • Schrittweise erfolgen mit Schutz der jeweils schwächeren Partner wie dies Joseph Stiglitz vorschlägt - in dem diese etwa Liberalisierungschritte erst später vollziehen   
Zusammengefasst bedeutet dies: Künftige Globalisierung darf nur insoweit erfolgen, als auch der freie Personenverkehr gewährleistet ist - und soweit die Globalisierungsopfer angemessen entschädigt werden (neue Jobs!).  

2.2.16: Entwicklungszusammenarbeit ist Erfolgsgeschichte Die Entwicklungshilfe, oder Entwicklungszusammenarbeit steht im Zeichen fundamentaler Kritik. Zu Unrecht, wie dieser Beitrag zeigt. Wird Entwicklungshilfe nämlich als das betrachtet, was sie eigentlich darstellt, eine Spielart der Aussenpolitik, fällt die Bilanz wesentlich günstiger aus > oekonomenstimme.ch 2.2.16.

27.1.16: Im Hinblick auf die Nahrungsmittelspekulations-Initiative behaupten deren Gegner, wie etwa auch der CH-Bundesrat, es gäbe gar keine Spekulation. Die gleichen Kreise sehen bei den Währungsmärkten und der Überhöhung des CHF-Kurses eine spekulative Überhöhung des Preises aber durchaus als gegeben an. Wenn es also auf den Devisenmärkten Spekulation gibt, warum dann nicht auch auf den Agrarmärkten? Siehe dazu auch den Arena-Diskutanten Heiner Flassbeck in einem Blogbeitrag > hier.

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