
Getreu den Lehren des großen Ökonomen John Maynard Keynes favorisiert Stiglitz statt dessen antizyklische Investitionen, um das Wachstum zu stärken und aus der Krise herauszuwachsen, anstatt sich weiter hineinzusparen. Dies solle dann allerdings über höhere Steuern gegenfinanziert werden. Exemplarisch nannte er die von der Finanzlobby wie das Weihwasser gescheute Finanztransaktionssteuer (Einführung einer Mehrwert-/Umsatzsteuer auf Finanzprodukte), deren Einführung auf der Euroebene allerdings kürzlich erst an Bundesfinanzminister Schäuble gescheitert ist.
Exkurs: Deutschland ist dabei nicht das erste mal vor der Finanzlobby eingeknickt: Auch das internationale Abkommen zur Regulierung der Banken, Basel III, wurde auf Drängen des internationalen Bankenverbandes IIF unter dessen Chef Joseph Ackermann laut dem Wall Street Journal von den deutschen Unterhändlern verwässert
Ein weiteres Beispiel ist der ohne Not geringere Steuersatz in dem bilateralen Steuerabkommen mit der Schweiz, in dem Deutschland sogar den Zinssatz in dem Äquivalent zwischen Großbritannien und der Schweiz unterläuft, sowie noch deutlicher und gravierender unter der von der EU geforderten einheitlichen Quellensteuer mit der Schweiz liegt. Stiglitz fordert auch eine gemeinsame Haushaltsbehörde für den Euro-Raum, um die regionalen Unterschiede in der Wirtschaftskraft auszugleichen. Dies zielt in Richtung einer Transferunion, um strukturschwache Euro-Regionen zu fördern. Dies ist auch ein Seitenhieb gegen vorschnelle Erweiterungen der Eurozone in der jüngeren Vergangenheit, in deren Zug ärmere Regionen „aufgekauft“ werden konnten, anstatt sie zunächst an das Niveau der Kernländer heranzuführen.
Laut Stiglitz müssten sich Europa und die USA auf einen zunehmenden Machtverlust einstellen, während China und Indien in der Weltwirtschaft zunehmend an Bedeutung gewinnen würden. Damit würde laut Stiglitz allerdings nur eine „Anomalie der Geschichte korrigiert“ werden, die erst in den letzten 200 Jahren aufkam. Die Machtverschiebung werde allerdings nicht ohne Konflikte ablaufen: „Ich erwarte eine ganze Menge geopolitische und wirtschaftliche Auseinandersetzungen. Man wird darüber streiten, wer die Geschicke der Welt lenkt.“
Am Ende des Interviews lieferte Stiglitz dann noch eine grundsätzliche Kapitalismuskritik: Der Kapitalismus in seiner derzeitigen Ausformung würde nur einem kleinen Teil der Menschen wirklich nutzen. „Der Wohlstand wird ungleich verteilt, das meiste geht an die Spitze, an der Basis bleibt wenig.“ Die Volkswirtschaften bräuchten „mehr Transparenz, mehr Einkommensgerechtigkeit und vor allem: mehr Moral“.
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