Sonntag, 20. Februar 2011

Aus Krise nichts gelernt

Dass die Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft mit den Wechselkursen, den Lohnkosten oder den Leistungsbilanzssalden zu tun haben, wird vernünftigerweise niemand bestreiten. Hieße es doch, die Gesetze der Ökonomie praktisch für ungültig zu erklären. Dennoch stritten die Finanzminister- und Notenbankchef der G 20 zwei Tage lang, ob diese Begriffe in der Abschlusserklärung ihres Treffens an diesem Wochenende in Paris auftauchen dürfen. Ein Kommentar der deutschen «Zeit».

Am Ende hat man sich wie immer auf einen Kompromiss verständigt. Doch die Auseinandersetzung zeigt: Für eine neue Weltwirtschaftsordnung, wie sie die französische G-20-Präsidentschaft zumindest in Ansätzen zu errichten hofft, gibt es keine Mehrheit. Auf dem internationalen Parkett streitet jedes Land wieder ungeniert für seine Interessen.

Dabei hatte Paris seine Ambitionen bereits heruntergeschraubt, eine umfassende Reform des Weltwährungssystems stand nicht auf der Agenda. Um nicht mehr als die Einigung auf einen Satz von fünf Indikatoren zur Messung der globalen Ungleichgewichte - also der Verzerrungen in den Güter- und Kapitalströmen - sollte es jetzt gehen. Doch wenn es schon bei der Problemanalyse solche Meinungsunterschiede gibt, um wieviel größer werden sie erst bei der Debatte um eine Konkretisierung der Indikatoren sein? Denn natürlich müssen die Grenzwerte irgendwann quantifiziert werden. Und um wieviel größer werden die Meinungsunterschiede sein, wenn es erst um mögliche Gegenmaßnahmen geht?

Das aktuelle Weltwährungssystem ist in Wahrheit ein Nicht-System: Jeder tut, was er will. Es gibt weder verbindliche Regeln, noch handlungsfähige Instiutionen, die jene erzwingen - so sehr sich der Internationale Währungsfonds (IWF) auch müht, sich im Konzert der Nationen zu behaupten. Das Ergebnis: China verhindert eine Aufwertung seiner Währung, obwohl diese nach allen gängigen ökonomischen Kriterien unterbewertet ist; die USA bekommen ihr Haushaltsdefizit nicht in den Griff; Deutschland tut zu wenig, um die Binnennachfrage zu stärken, obwohl der Überschuss im Außenhandel immer noch gewaltig ist.

Länder wie Deutschland oder China müssen also mehr konsumieren, Länder wie die USA mehr sparen. Doch gerade hierzulande werden alle Versuche, etwas Ordnung in die Weltwirtschaft zu bringen, gnadenlos abgeschmettert - so, als gehe es darum, dass ein Gleichgewichtskommissar künftig bei BMW die Bänder anhält, wenn zu viele Autos verkauft werden. Darum geht es aber nicht. Genau so wenig, wie irgendjemand den Deutschen vorschreiben will, sich nicht mehr an der Spitze, sondern am Durchschnitt zu orientieren. Sie sollen aber, wenn sie den Rest der Welt als Absatzmarkt benutzen, auch selbst als solcher offen stehen.

Wenn Deutschlands Ökonomen und ihre Gehilfen im öffentlichen Diskurs anderes behaupten, dann, weil es ihnen darum geht, die Idee einer systematischen Steuerung der globalen Ökonomie als Anmaßung von Wissen und Planwirtschaft zu desavouieren. Die Politik sollte sich davon nicht beirren lassen: Die Weltwirtschaft erlebte ihre stabilsten Jahre zu den Zeiten des Währungssystems von Bretton Woods, das Wechselkurse und Kapitalverkehr reglementierte. Dass das System kollabiert ist, liegt nicht daran, dass zu viel reguliert wurde, sondern immer noch zu wenig.

Eine Neuordnung der globalen Währungsbeziehungen wird sich nicht in einem Jahr bewerkstelligen lassen. Jede Währungsordnung ist nur so gut wie der Kooperationswille ihrer Mitgliedsstaaten. Den Versuch aber nicht einmal zu unternehmen, hieße, aus der Krise nichts gelernt zu haben.

Quelle: ZEIT ONLINE

Donnerstag, 10. Februar 2011