Donnerstag, 2. September 2010

Staatsverschuldung ohne Alternative

In 23 reichen Länder ist die Staatsverschuldung bedrohlich angestiegen. Der Internationale Währungsfonds warnt dennoch vor Überreaktionen an den Finanzmärkten. Kein Grund zur Panik an den Märkten, sagt der IWF: Händler an der Wall Street. Der Autor von TA-Online bringt einen wichtigen Aspekt der Verschuldung auf den Punkt.

Seit der Krise in Griechenland gehört die Angst vor Staatsbankrotten zum Standardrepertoire der Untergangspropheten. Für sie sind Hyperinflation und soziale Unruhen nur noch eine Frage der Zeit. Tatsächlich sind die Schulden der öffentlichen Hand in den meisten Industriestaaten massiv angestiegen. In Griechenland werden sie bis 2013 voraussichtlich 150 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) betragen. Andere Club-Med-Staaten wie Portugal und Italien, aber auch Irland geht es nur wenig besser. Das zeigen neue Studien des IWF. Selbst in Grossbritannien und den USA wird die Verschuldung langsam unheimlich: Bis 2015 wird sie 91, beziehungsweise 110 Prozent des BIP betragen.

Trotzdem warnt der IWF vor einer übertriebenen Angst. «Die Märkte überschätzen das Risiko eines Staatsbankrottes», sagt einer der Verfasser der Studie, Paulo Mauro. Er verweist dabei auf acht ähnliche Beispiele in den letzten 20 Jahren, wo es hochverschuldeten Staaten gelungen ist, ihre Staatsfinanzen ohne Umschuldung zu sanieren. Die Frage, wie viele Schulden ein Staat verkraften kann, ist nicht eindeutig zu beantworten. Japan, das am höchsten verschuldete Land der Welt, lebt seit Jahrzehnten mit seiner Schuldenlast. Es ist dabei nicht auf fremde Hilfe angewiesen, weil die Japaner ihre Schulden selbst mit ihren Spargeldern finanzieren. Und Japan lebt damit gar nicht so schlecht. Es ist zwar richtig, dass das Wachstum der Wirtschaft absolut gesehen seit Jahren bescheiden ist und das Land unter einer leichten Deflation leidet. Doch in Japan nimmt die Bevölkerung bereits ab. Rechnet man das Wirtschaftwachstum auf die entscheidende Grösse um, nämlich pro Erwerbstätigen, dann steht Japan in den letzten Jahren besser da als beispielsweise Deutschland und fast so gut wie die USA.

Die Staatsschulden der reichen Staaten werden noch zunehmen, denn es sind nicht die unmittelbar beschlossenen Konjunkturprogramme, die sie primär verursachen, sondern die Langzeitfolgen. Die beiden Ökonomen Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff haben in ihrem Buch «This Time is Different» die wichtigsten Wirtschaftskrisen und ihre Folgen untersucht. Sie kommen zum Ergebnis, dass nach einer Bankenkrise die Staatsverschuldung immer zunimmt, und zwar massiv. «Durchschnittlich nehmen die realen Staatsschulden in den drei Jahren nach einer Bankenkrise um 86 Prozent zu», stellen sie fest. «Die fiskalischen Konsequenzen, die direkte und indirekte Kosten beinhalten, sind viel teurer als die Kosten für das Bail-out.»

Staatsschulden soll man nicht verniedlichen und langfristig ist eine gewisse Inflationsgefahr nicht zu leugnen. Doch Panik ist fehl am Platz. Trotz der hohen Schulden und der Erwartung, dass sie kurzfristig nochmals steigen werden, sind die Zinsen für US-Staatsanleihen auf einem Rekordtief. Zudem: Was wäre die Alternative? Ein knallharter Sparkurs mit dem Versuch, das Budget auszugleichen, hat in den 1930er Jahren in die Grosse Depression geführt. Auch heute ist die Vorstellung absurd. Oder wie es Martin Wolf, Chefökonom der «Financial Times» ausdrückt: «Ich finde die Idee bizarr, den grössten Teil des Finanzsystems einstürzen zu lassen, unkonventionelle Geldpolitik zu vermeiden und das Staatsdefizit so gering wie möglich zu halten – und das als Voraussetzung für einen schnellen und nachhaltigen Aufschwung zu betrachten.»

Quelle: (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)

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